Ivan Čolović
Der Tod auf dem Amselfeld. Die Geschichte des Kosovo-Mythos.
Originalausgabe: Juli 2016
506 Seiten
Preis: 900 din.
Ivan Čolović (Belgrad, 1938) ist politischer Anthropologe und Schriftsteller. Seine bekanntesten Bücher sind: Divlja književnost (Wilde Literatur,1985), Književnost i erotizam (Literatur und Erotik, 1990), Bordel ratnika (Das Bordell der Krieger, 1993), Politika simbola (Politik der Symbole, 1997), Etno (2006),Balkan – teror kulture (Balkan – Der Terror der Kultur, 2008) i Rastanak s identitetom (Abschied von der Identität, 2014). Einige dieser Bücher sind ins Englische, Franzöische, Griechische, Italienische, Makedonische, Deutsche, Polnische und Slowenische übersetzt worden.
Čolović ist Begründer und Redakteur (1971) und seit 1989 auch Herausgeber der Buchreihe in der Bibliothek des 20. Jahrhunderts.
Ivan Čolović wurde mit einigen Preisen ausgezeichnet: 2000 mit dem Herderpreis, sowie 2001 mit dem französischen Orden der Ehrenlegion. 2006 erhielt den Preis „Konstantin Obradović“. 2010 wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Warschauer Universität ausgezeichnet, sowie mit der Ehrung „Vitez Poziva“ 2010, und dem Preis der Südosteurop-Gesellschaft, der „Konstantin Jireček- Medaille“ (2012).
„Der Gegenstand meiner Untersuchung in diesem Buch ist die ideologische und politische Funktion der Erinnerung an die Schlacht auf dem Amselfeld, von den ersten Nachrichten bis in unsere Tage. Die Dokumente, in an denen diese Schlacht erinnert wird, habe ich chronologisch angeordnet, und habe diese wiederum nach geopolitischen Kriterien strukturiert. So habe ich die ältesten Quellen zu diesem Thema auf einige Gruppen aufgeteilt: zunächst kirchliche serbische Quellen zum Kosovo, danach osmanische, byzantinische, italienische, solche aus Dubrovnik, sowie westeuropäische Dokumente. Nach dem gleichen Prinzip habe ich auch die Erinnerungen an die Schlacht auf dem Amselfeld gruppiert, die im 19. und 20. Jahrhundert entstanden sind, so dass gesondert serbische, montenegrinische, kroatische, slowenische, bosniakische, jugoslawische und albanische Beispiele angeführt werden. Das so gewonnene Panorama politischer Bezugnahmen auf die Schlacht auf dem Amselfeld und die politischen Botschaften, die darin enthalten sind, ermöglichen es, sowohl die jeweilige Dauer und Intensität der Erinnerung an das Amselfeld in der Geschichte der einzelnen Balkanvölker zu analysieren, als auch zu fragen, wann der Mythos die Funktion der Annäherung, Vereinigung hatte, und unter welchen Bedingungen er zur Grundlage für Konflikte wurde.
In erster Linie tritt ein entwickelter Kosovo-Mythos erst im 19. Jahrhundert in Erscheinung, als die älteren Geschichten über die Schlacht auf dem Amselfeld verändert und angereichert werden, um in den Dienst des zu dieser Zeit wichtigsten Kultes gestellt werden zu können, des Kultes der Nation, dem die Evokationen Kosovos auch im 20. Jahrhundert und den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts dienen werden. Das bedeutet, dass die hier vorgestellten Beispiele des Kosovo-Narrativs vor dem 19. Jahrhundert, bzw. vor dem Aufkommen des Nationalismus auf den Balkan, sich deutlich von jenen danach unterscheiden, das diese zur Vorgeschichte des Kosovo-Mythos gehören. Doch da ich nicht genauer den Umschlag von Vorgeschichte in Geschichte bestimmen kann – wie auch die Historiker, die sich mit Nationalismus befassen, nicht genau sagen können wann dieser beginnt – habe ich dieses Buch nicht in zwei Teile unterteilt, einen vorgeschichtlichen und einen historischen, sondern überlasse es dem Leser, dass dieser anhand der Beispiele, die ich analysiere, den Prozess der Konstitution nationalistischer mythischer Geschichten vom Kosovo verfolgen kann.“
(Aus dem Vorwort)